Das Dresdner Unternehmen Wandelbots hat eine No-Code-Software entwickelt, die menschliche Aktionen für Roboter verständlich macht. Mit dem Übersetzungsprogramm ist jedermann in der Lage, Robotern etwas beizubringen – ganz ohne ultrakompliziertes Programmieren.
Sorgfältig überzieht der Roboter die Kanten des Bauteils mit Kleber. Von oben wird das Gegenstück aufgesetzt und beide Teile verschmelzen zu einer Einheit. Das Aufbringen des Klebers in stets gleichbleibend perfekter Qualität ist nicht etwa das Ergebnis einer hochkomplizierten Maschinenprogrammierung. Der Roboter macht einfach nach, was ein Maschinenbediener ihm vorgemacht hat. Ganz ohne Programmierkenntnisse hat er den Roboter angelernt, wie einen Lehrling: Indem er ihm gezeigt hat, wie es geht.
Benutzt hat er dazu einen sogenannten TracePen von Wandelbots. Der Stift funktioniert im Prinzip wie eine PC-Eingabemaus und lässt sich mit verschiedenen Arbeitsaufsätzen ausstatten: Klebepistole, Schweißdüse, Fräse, Feile – jedes Werkzeug ist möglich. Der Maschinenbediener zeichnet mit dem TracePen das Aufbringen des Klebers vor. Zahlreiche Sensoren im Eingabegerät erfassen jede seiner Bewegungen und übermitteln die Daten an die intuitiv zu bedienende Wandelbot Teaching App. Eine hochkomplexe Software verarbeitet im Hintergrund die Daten und übersetzt die Bewegungen in Algorithmen, die der Roboter versteht. Mit diesen Informationen kann er den Vorgang perfekt nachmachen. Auf diese Weise lässt sich einem Roboter so ziemlich alles beibringen. Er packt jede Tätigkeit von einfach bis komplex. Und das Beste: ihm wird nie langweilig, er wird nie müde, seine Arbeitsergebnisse sind auch nach dem x-ten Teil gleichbleibend perfekt.
„Ich zeig dir, wie’s geht Rob“
Wie funktioniert das Teachen eines Roboters? Eine Erklärung in Bildern.
Darauf hat die Welt gewartet
Die Software, die menschliches Tun digitalisieren und in Robotersprache übersetzen kann, ist hochkompliziert und sie hat das Zeug dazu, die Welt zu verändern. Entwickelt wurde sie nicht etwa im kalifornischen Silicon-Valley, sondern an der Universität Dresden. Dort beschäftigten sich Christian Piechnick, Maria Piechnick, Georg Püschel, Jan Falkenberg, Sebastian Werner, Giang Nguyen und Christoph Bieringer 2009 während eines Forschungsprojekts das erste Mal mit Industrierobotik. „Für mich war die Robotik bis dahin die Speerspitze der Innovation“, erinnert sich Piechnick. „Ich bin deshalb fast vom Stuhl gefallen, als ich realisiert habe, dass die damals verwendeten Technologien noch aus den 90er Jahren stammten.“
Die Wandelbots Experten entwickeln Software, die menschliche Bewegungen mithilfe von Sensorik in für Roboter verständliche Algorithmen übersetzt. Diese Übersetzung ist universell – das heißt sie funktioniert herstellerübergreifend.
Die sieben Doktoranden nahmen sich vor, das zu ändern. „Wir hatten die Vision, Roboter zu demokratisieren. In Zukunft soll jeder mit ihnen kommunizieren können“, fasst Piechnick die Initialidee zusammen. Aus der Vision ist inzwischen handfeste Wirklichkeit geworden. 2017 gründet Piechnick gemeinsam mit den vier anderen das Startup Wandelbots. Und als ob die Welt nur auf jemanden gewartet hätte, der die Dinge endlich in die Hand nimmt, rennen die Dresdner bei Roboterherstellern, der Industrie, Softwareunternehmen und zahlreichen Investoren weltweit offene Türen ein. Bis 2020 haben sie bereits fast 32 Millionen Euro an Investorengeldern eingesammelt.
Eine etwas andere Firmengeschichte
Türöffner für die Automatisierung
Heute arbeiten am Hauptfirmenstandort Dresden rund 160 Mitarbeitende. Das Team ist international und interdisziplinär aufgestellt und arbeitet mit Hochdruck daran, die No-Code-Software weiter zu verfeinern. Eine weltweit standardisierte Roboterkommunikation soll es ermöglichen, Roboter überall flexibel, also wandelbar, einzusetzen. „Im Grunde bauen wir ein einheitliches Betriebssystem wie Windows, nur eben für Roboter“, fasst Piechnick zusammen.
„Allein in den USA fehlen 400.000 Schweißfachkräfte.“
Christian Piechnick, Gründer und Co-CEO
Die Vorteile dieser Standardisierung liegen auf der Hand. „Bisher kochte jeder Roboterhersteller sein eigenes Süppchen“, erklärt Piechnik. „Die Folge war, dass jeder Roboter anders programmiert werden muss. Wer also in seiner Fertigung vier verschiedene Roboter einsetzt, braucht entweder ein Programmiergenie oder mehrere Programmierer. Der personelle, zeitliche und finanzielle Aufwand hat viele abgeschreckt.“ Die No-Code-Lösung von Wandelbots könnte nun auch für mittelständische und kleine Betriebe ein Türöffner zur Automatisierung durch Roboter sein. „Hier ist der Automatisierungsdruck aufgrund des Fachkräftemangels besonders hoch. Dazu kommt, dass immer kleinere Stückzahlen hohe Flexibilität bei der Fertigung erfordern“, weiß Piechnick und ergänzt. „Allein in den USA fehlen 400.000 Schweißer. Genau hier können einfach anzulernende Roboter künftig eine Lücke schließen.“
„Wir demokratisieren Roboter“
Menschen bei Wandelbots erklären wie das geht.
Durch Integration schnell zum Erfolg
Um die Voraussetzungen für eine umfassend einsetzbare direkte Mensch-Maschine-Kommunikation zu schaffen, gibt es für die Entwickler:innen bei Wandelbots noch viel zu tun. „Schneller und noch besser werden wir, indem wir uns Unterstützung holen“, sagt Piechnick. Eine offene Programmierplattform bietet Spezialisten aus der Industrie die Möglichkeit, ihre Applikationen mit dem standardisierten Software Development Kit (SDK) von Wandelbots zu entwickeln. Je mehr Programmierer die SDKs verwenden, desto schneller lassen sich herstellerübergreifend Industrieroboter mithilfe der Wandelbots App programmieren.
„Es gibt weltweit schätzungsweise 28 Millionen Softwareentwickler, davon können nicht einmal eine halbe Millionen Roboteranwendungen bauen.“
Christian Piechnick, Gründer und Co-CEO
Ein weiterer Vorteil der gemeinsamen Entwicklungsplattform ist, dass jeder Experte sein ganz spezielles Wissen für das Große und Ganze einbringt. „Einen Schweißvorgang beispielsweise kann eben am besten ein Schweißexperte vormachen – oder derjenige, der die automatisierte Schweißanlage konstruiert und gebaut hat“, so Piechnick. Er denkt auch an das riesige Potenzial, das sich weltweit für eine umfassende Lösung nutzen ließe: „Auf diesem Planeten gibt es schätzungsweise 28 Millionen Softwareentwickler. Davon können noch nicht einmal eine halbe Million Anwendungen für Roboter bauen. Sie arbeiten bei Unternehmen wie Google, Facebook und Netflix. Wenn wir diesen kreativen Entwicklern die Robotik erschließen, können wir eine Technologieplattform schaffen, auf der viele Menschen mit großartigen Ideen gemeinsam unterschiedlichste Roboterlösungen entwickeln.“
„So geht Zukunft“
Im Team unschlagbar
Auf Aufgabenteilung baut Wandelbots auch intern. Seit Oktober 2021 ist mit Bernd Heinrichs ein erfahrener Experte an Bord. Heinrichs hat zuletzt bei Bosch als Executive Vice President & Chief Digital Officer die Sparte Mobility Solutions geleitet und blickt auf eine fast dreißigjährige Karriere zurück. Als einer der ersten Mitarbeiter von Cisco in Deutschland gelang dem promovierten Informatiker der Startschuss für eine rasante Geschäftsentwicklung und auch bei Wandelbots wird er künftig als Co-CEO das nachhaltige Wachstum des Unternehmens mitgestalten.
Heinrichs ist für die Bereiche Finanzen, Operations und Human Resources zuständig und der Mann mit der meisten industriellen Erfahrung bei Wandelbots. Das nimmt er selbstbewusst und mit einem Schmunzeln hin: „Unser Altersdurchschnitt liegt derzeit bei circa 30 Jahren, und es kommen immer wieder neue junge ambitionierte Leute dazu. Aber wir suchen in diesem Stadium der Firmenentwicklung bewusst auch erfahrende Mitstreiter.“ Das Wichtigste ist ihm aber, dass die Chemie stimmt: „Diese Company hat eine DNA, die auf Innovation, Wachstum sowie Fast Invest aufbaut, aber auch auf dem Spaß daran, etwas Neues zu schaffen, mit dem sich Großes erreichen lässt. Das darf man nicht kaputtmachen.“
Seine Aufgabe sieht er deshalb darin, Prozesse zu etablieren, die dem schnellen Wachstum gerecht werden, mit denen aber der Geist der Firma weiterlebt. Dass Wandelbots ein Game-Changer wie Microsoft, Google oder Amazon werden kann, bezweifelt er nicht: „Wir haben durch ein hervorragendes Engineering einen Technologievorsprung, der sich jetzt auszahlt. Und wir haben ein Team aus tollen Persönlichkeiten, ausgestattet mit einer Expertise, die es in diesem konzentrierten Level weltweit wohl kein zweites Mal gibt. Ich bin dafür zuständig, das Business wie eine Maschine zum Laufen zu bringen und dazu gehört es auch, ein bisschen auf die Bremse zu treten. Wir müssen uns fokussieren, auch wenn noch so viele kreative Köpfe jeden Tag neue Ideen haben. Dann sehe ich uns in ein paar Jahren an der Börse.“
„Ein Personal-Robot für alle”
Auf zum Personal-Robot
Christian Piechnick feilt mit seinem Team daran, Robotik endlich zu dem zu machen, was sie für ihn schon immer war: zur Speerspitze der Innovation: „Roboter werden in den nächsten 30 Jahren für uns dieselbe gesamtgesellschaftliche Bedeutung haben, wie PCs und Smartphones in den vergangen 30 Jahren.“ Und er hat auch schon eine Vorstellung davon, wie die Entwicklung weitergeht: „Schon in den nächsten fünf bis zehn Jahren kann ich mir Personal-Roboter vorstellen, die ganz selbstverständlicher Bestandteil des Alltags sind.“ Er denkt dabei nicht an humanoide Roboter, oder solche, die nur bestimmte Handlungen ausführen: „Ich schätze, es wird etwas Flexibles sein, das ich ähnlich wie mein Smartphone mithilfe von Apps für verschiedene Dinge nutzen kann.“
Wandelbots GmbH
Die Wandelbots GmbH mit Sitz in Dresden hat sich die Demokratisierung von Robotern auf die Fahne geschrieben. Dazu entwickelt das Unternehmen No-Code-Software, die es auch Nicht-Programmierern ermöglicht, Robotern neue Fähigkeiten beizubringen, ohne eine einzige Zeile Code zu schreiben.